Licht in der Nacht
Chanukka 5782 (2021) - Rabbiner Shlomo Zelig Avrasin.
„In a gite Shu“ (jiddisch) feiert das jüdische Volk in der nächsten Woche Chanukka – das Fest der Lichter. In den Tagen von Chanukka zünden wir jeden Abend besondere Kerzen, deren Anzahl im Laufe des ganzen Festes wächst von eins bis zu acht.
Das Wort „Chanukka“ bedeutet „Einsegnung“ oder „Einweihung“. Das Fest bekam den Namen als Folge der Reinigung und Erneuerung des Jerusalemer Tempels. Nachdem Alexander von Makedonien den Nahen Osten eroberte, fand sich Israel im hellenischen Kulturbereich. Ab dem zweiten Jahrhundert der neuen Zeitrechnung befand sich Judäa unter der Herrschaft des Seleukidenreiches mit der Hauptstadt in Antiochien (im heutigen Syrien). Die ersten Jahre mischten sich Seleukiden nicht besonders in die innere Politik ein, das Land wurde durch Sanhedrin geführt – dem Rat der höchsten Richter, Priester und Ältesten. Jedoch angefangen mit dem Jahr 175 v.u.Z., als Antiochos IV. Epiphanes an die Macht kam, begann der Prozess der gewaltsamen Hellenisierung der Bevölkerung Judäa. Aktiv beteiligte sich daran die prohellenische Oberschicht des reichen Priestertums und der Kaufmannschaft, die mit den antiochenischen Griechen regsam handelten.
Folglich verließen die Juden, die der Thora und der Tradition ihrer Vorfahren treu geblieben sind, Jerusalem und große Städte und flüchteten in entlegene Gegenden, wo sie den Vorschriften der Thora weiterhin folgen konnten. Im Tempel wurden inzwischen Heidenstatuen aufgestellt und der Tempeldienst musste beträchtliche Veränderungen erdulden. Dies führte zur bewaffneten Auseinandersetzung. Der Aufstand begann in einer kleinen Siedlung Modiin unweit von Jerusalem. Eine Truppe griechischer Soldaten versuchte zusammen mit den Hellenisierungsvertretern die Ortsansässigen dazu zu zwingen, den Opfergang der griechischen Idole anzutreten. Die Aufständischen unter der Anführung des alten Priesters Matitjahu aus der Hasmonäer-Dynastie und seiner fünf Söhne schmetterten die Feinde nieder und flohen in die Berge. Ihnen folgten mit der aktuellen Sachlage unzufriedene Bürger. Der Allerhöchste bescherte den Aufständischen einen Sieg nach dem anderen. Obwohl sie schlecht bewaffnet und in Kriegswesen unbelehrt waren, nahm der Aufstand an Fahrt auf.
Letztendlich zwei Jahre nach dem Beginn des Aufstandes, am 25. Kislew 165 v.u.Z. befreiten die Juden unter der Führung von Jehuda Makkabäer, Sohn von Matitjahu, Jerusalem und bereinigten den geschändeten Tempel. In einigen Jahren gelang es ihnen die Unabhängigkeit zu
erkämpfen und die Hasmonäer-Dynastie begann Judäa zu regieren.
Als Erinnerung an diese heldenhaften Geschehnisse wurde das Fest Chanukka eingeführt. Aber noch davor hatten diese Tage eine besondere Bedeutung, denn Chanukka fällt auf die dunkelste Zeit des Jahres – auf die Wintermonate Kislew und Tewet, wenn die Tage auf der Nordhalbkugel kurz und die Nächte lang sind. Und obwohl der Sinn dieser Kerzen in erster Linie in der Verbreitung des während der Einweihung des Tempels von der hellenischen Befleckung geschehenen Wunders liegt (alle erinnern sich bestimmt an die Geschichte mit dem Ölkrug), so führt die Symbolik dieses Brauches zu den Zeiten des ersten Menschen, Adam, zurück. Der Midrasch erzählt uns, dass nachdem er aus dem Garten Eden vertrieben wurde (und das geschah im Herbst), merkte Adam, dass die Tage kürzer wurden. Er bekam Angst, dass wegen seiner Sünde die Sonne überhaupt aufhören könnte zu leuchten, fing an zu fasten und G-tt um Vergebung zu bitten. Nach einiger Zeit merkte er, dass die Tage wieder länger wurden und begriff, dass das Jahr zu einer Wende kam. Seitdem haben viele Völker den Brauch, in den dunkelsten und finstersten Nächsten Kerzen, Fackeln oder Feuer zu zünden. Der Mensch fügt quasi sein eigenes Feuer bei, um diese kalte und dunkle Winterwelt zu beleuchten und zu erwärmen.
Darin liegt im Grunde genommen die globale Aufgabe der Menschheit – den durch die Sünde des ersten Menschen dieser Welt gebrachten Schaden zu beseitigen, sie wieder an den Schöpfer näher zu bringen. Wie unsere Weisen s.A. sagten: „kleines Feuer kann große Finsternis vertreiben!“
Ich wünsche allen ein helles und fröhliches Chanukka
Rabbiner Shlomo Zelig Avrasin