Rosch HaSchana 5781
Ab Rosch HaSchana Präsenz zeigen
בס"ד
Bestimmt hat sich manch einer im letzten Jahr nicht nur ein Mal gewünscht das Jahr 5780 soll schnellstmöglich vorbei gehen. Gerade hatte das Jahr so schön angefangen als am 10. Tag des neuen Jahres – an Jom Kippur - ein antisemitischer Anschlag auf die Synagoge in Halle verübt wurde. G'tt sei Dank hat die Tür gehalten und doch hat dieser Angriff uns alle erschüttert, verunsichert und viele Fragen aufgeworfen.
Leider war das nicht alles. Seit etwa Mitte des jüdischen Jahres hält ein neuartiger Virus die ganze Welt in Atem. Unser gewohnter Alltag musste den Einschränkungen, Bestimmungen und den Vorschriften weichen. Ängste und Panik vor dem Unbekannten führten zu Hamsterkäufen. Absagen aller Events, auch in den jüdischen Gemeinden, Social Distancing, Selbstisolierungen und der Lockdown haben die Welt fast zum Stillstand gebracht.
Jetzt stehen wir zwischen optimistischen und weniger optimistischen Prognosen da. Wie soll es weitergehen?
Es ist unbestritten, dass die Pandemie für uns alle eine Prüfung war und immer noch ist. Egal ob jung oder alt, wir alle mussten auf vieles verzichten. Doch wenn wir die ganze Menschheitsgeschichte und Geschichte unseren Volkes im Speziellen betrachten, stellen wir fest, dass diese Prüfung im Vergleich zu den anderen Pandemien und Kataklysmen relativ glimpflich verläuft.
Bekannterweise lesen wir immer unmittelbar vor Rosch HaSchana den Abschnitt Nizawim, der auf den Abschnitt Ki Tawo folgt. Unsere Weisen erklären diese Ordnung der Abschnitte und folgern, dass, nach dem im Abschnitt Ki Tawo 98 Flüche gelesen wurden, der Ewige sein Volk beruhigen und sich mit dem Volk versöhnen möchte. Der Abschnitt Nizawim beginnt mit den Worten „Ihr steht heute alle vor dem Ewigen, eurem G’’tt…“.
Und für den, der die Worte der Beruhigung und Versöhnung nicht sofort erkennt, helfen die Weisen weiter. Unsere Aufmerksamkeit wird auf das Wort „steht“ gelenkt. „Ihr steht“ bedeutet „es wird euch geben“, ihr werdet da sein vor dem Ewigen. Das hat zu bedeuten, dass das Volk Israel alles überstehen kann und wird, und auch wie G’’tt ewig ist.
Der Midrasch Tanchuma geht in dieselbe Richtung und bezieht sich auf den Vers in Dwarim 32, 23: „Verschwenden will ich Übel über sie, und meine Pfeile alle gegen sie verbrauchen“. Rabbi Chanina Bar Papa deutet diesen Vers und erklärt, dass Übel und Pfeile zu neige gehen werden, aber ihr (Volk Israel) werdet erhalten bleiben. Der Midrasch betont es nochmal bildhaft mit folgendem Beispiel. Es wird eine Zielscheibe aufgestellt, diese wird mit einer Menge von Pfeilen beschossen bis alle Pfeile verbraucht wurden, die Zielscheibe bleibt jedoch erhalten und existiert weiterhin. Genauso wird das Volk Israel alles Leid überstanden haben. Und mit jedem neuen Leid, das über uns kommt, wissen wir, dass im Köcher weniger Pfeile geblieben sind. Irgendwann wird der Köcher komplett leer sein, das Volk Israel jedoch wird immer noch da sein. Auch König Salomon in Sprichwörtern 12, 7 sagt: „ubejt Zadikim ja’amod – doch der Gerechten Haus besteht“.
Das ist der Grund, weshalb wir am Schabbat vor Rosch HaSchana den Abschnitt Nizawim mit den Worten „Ihr steht heute alle vor dem Ewigen, eurem G’tt“ lesen, gerade dann, wenn wir auf kein leichtes Jahr zurückblicken, müssen wir kommen und zeigen dass es uns gibt und wir noch im Stande sind zu stehen.
Nach sieben Wochen Pause gibt es wieder G‘ttesdienste, zeigen Präsenz und füllen wieder alle Synagogen, denn Corona hat uns nur stärker gemacht und das Ende des Leides rückt näher.
Keine Pandemie, kein Antisemit und keine Waffen werden es je schaffen, uns einzuschüchtern die Synagogen zu besuchen, unseren Glauben auszuleben und Gebote zu befolgen.
Den ganzen Monat Elul (letzter Monat) blasen wir Schofar, um unsere Herzen aufzurütteln aber auch um das Volk zu Rosch HaSchana zusammenzurufen.
Ich wünsche den Mitgliedern aller Gemeinden des Landesverbandes von Westfalen Lippe und all unseren Freunden Schana Tova umetuka!
Ihr Rabbiner Baruch Babaev