Geschichte
Seit der Neugründung der Jüdischen Kultusgemeinde Dortmund nach den Schrecken der NS-Herrschaft befindet sich die Gemeinschaft der jüdischen Mitbürger in Dortmund in ständiger Bewegung und Entwicklung. Bereits im Jahr 1945, nur wenige Monate nach Ende des Zweiten Weltkrieges, feierten 50 zurückkehrende Juden gemeinsam Rosh Hashana, das jüdische Neujahrsfest. Einige kehrten später ihrer alten, durch die Grauen des Holocausts fremd gewordenen Heimat den Rücken zu. Andere entschieden sich zu bleiben. Im Jahre 1956 wurde das heutige Gemeindezentrum mit der Synagoge an der Prinz-Friedrich-Karl-Straße ihrer Bestimmung übergeben. Wer für sich ein Haus baut, will bleiben. Seitdem war und ist das backsteinerne Gebäude gesellschaftlicher und religiöser Mittelpunkt der jüdischen Bevölkerung Dortmunds.
Weiterhin erfahren Sie hier verschiedenes über die Vergangenheit und die Gegenwart der Gemeinde.
Entwicklungen in der Neuzeit
Erst die napoleonische Umbruchszeit führte Juden wieder nach Dortmund. Durch eine Reorganisation der politischen Landkarte begann das französische Bürgerrecht aus dem Jahre 1791 und somit die Gleichstellung der Juden auch im deutschen Westen ab 1808 zu gelten und laut Verordnung erhielten die Juden das Wohn- und Arbeitsrecht.
Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte Dortmund infolge der industriellen Erschließung des Ruhrgebiets einen großen Aufschwung. Mit Hoffnung auf Arbeit siedelten auch Juden vermehrt nach Dortmund um. Zudem trieben antisemitische Pogrome viele Juden aus der Ukraine, Russland und Polen in die westlichen Staaten Europas. Während die meisten alteingesessenen Juden in Hoffnung auf absolute Gleichstellung sich bereitwillig assimilierten und das orthodoxe Judentum aufgaben, hielten die sogenannten "Ostjuden" an den alten Riten und Bräuchen fest. Während 1815 nur 30 Juden in Dortmund ansässig waren, zählte die Gemeinde 1870 bereits 600 und im Jahre 1900 mehr als 2000 jüdische Bürger. Die Gemeinden in Dorstfeld und Hörde, um die Jahrhundertwende noch nicht zu Dortmund gehörig, ließen eigene Synagogen bauen. Zwischen 1818 und 1843 wurde in der Horststraße die Dorstfelder Synagoge erbaut, im Jahre 1900 folgte die Hörder Synagoge. In Aplerbeck wurde eine Betstube eingerichtet, in der Dortmunder Nordstadt richteten sich die orthodox lebenden "Ostjuden" ebenfalls einen "Cheder", eine Betstube, ein und bauten eine "Mikwe". Die viel zu klein bemessene Synagoge am Wüstenhof, 1853 eingeweiht, wurde durch einen Prachtbau auf dem Platz des heutigen Stadttheaters am Südwall ersetzt. Presse und Stadtvertreter sprachen anlässlich der Einweihung am 8./9. Juni 1900 von einem "Monumentalbau, für Jahrhunderte berechnet und für ewige Zeiten eine Zierde der Stadt". Zu diesem Zeitpunkt lebten rund 5000 Juden im Raum des heutigen Dortmunds.
Eine 3D-virtuelle Rekonstruktion der Alten Synagoge Dortmund wurde durch ein Team der Architekten bei der Technischen Universität Darmsradt unter der Leitung vom Prof. Dipl.-Ing. Manfred Koob angefertigt.
Das Ende und der Neubeginn
Mit der Machtübernahme Hitlers begannen die Leiden der Juden auch in Dortmund. Während man zuvor voll in das Alltagsgeschehen der Stadt integriert war, wurden diese immer mehr Repressalien ausgesetzt. Im September 1938, nur wenige Wochen vor der Reichspogromnacht und der Zerstörung aller Synagogen in Deutschland, musste die jüdische Gemeinde ihre Synagoge unter Androhung von Gewalt verkaufen. In unmittelbarer Nähe sollte das Gestapo-Hauptquartier eingerichtet werden: Die "Zierde der Stadt" wurde in den Augen der Nationalsozialisten zum "Schandfleck". In den folgenden Jahren mussten die jüdischen Volks-, Talmud- und Handwerkerschulen ihren Betrieb einstellen. Im Gestapo-Gefängnis "Steinwache" wurden Juden inhaftiert und gefoltert. Wie im gesamten Reichsgebiet wurde das jüdische Eigentum auch in Dortmund "arisiert". Ab Januar 1942 begann man die Juden vom Dortmunder Südbahnhof aus in die Vernichtungslager Auschwitz und Theresienstadt zu deportieren. 2200 Juden, nahezu alle, die sich nicht frühzeitig ins Ausland in Sicherheit bringen konnten, wurden in den Gaskammern der KZs ermordet.
Nur wenige Dortmunder Juden überlebten den Holocaust. Seit der Neugründung der Jüdischen Kultusgemeinde Dortmund nach den Schrecken der NS-Herrschaft befindet sich die Gemeinschaft der jüdischen Mitbürger in Dortmund in ständiger Bewegung und Entwicklung. Einige kehrten später ihrer alten, durch die Grauen des Holocausts fremd gewordenen Heimat den Rücken zu. Andere entschieden sich zu bleiben. Bereits im Jahr 1945, nur wenige Monate nach Ende des Zweiten Weltkrieges, gründeten 50 Juden unter der Führung von Siegfried Heimberg die neue jüdische Gemeinde und feierten gemeinsam Rosh Hashana, das jüdische Neujahrsfest. Im Jahre 1956 wurde das heutige Gemeindezentrum mit der Synagoge an der Prinz-Friedrich-Karl-Straße ihrer Bestimmung übergeben. Wer für sich ein Haus baut, will bleiben. Seitdem war und ist das backsteinerne Gebäude gesellschaftlicher und religiöser Mittelpunkt der jüdischen Bevölkerung Dortmunds.
In den 80ern des vergangenen Jahrhunderts befürchtete die Leitung der Jüdischen Kultusgemeinde das absehbare Ende der Existenz einer jüdischen Gemeinde in Dortmund. Die Mitglieder wurden immer älter, die Jugend zog ein Leben in anderen Regionen Deutschlands oder in Israel vor und folglich blieb der Nachwuchs aus. 1989 zählte die Gemeinde 350 Mitglieder - mit sinkender Tendenz.
Ausgerechnet ein Ereignis von weltweiter Bedeutung sollte das Feuer jüdischen Lebens in Dortmund neu entfachen: Als das kommunistische, religionsfeindliche System im europäischen Osten zusammenbrach und die Schranken für den freien Verkehr fielen, reisten viele Juden nach Israel, den USA oder auch in Deutschland, um ein neues Leben, frei von unterschwellig oder offen vorherrschendem Antisemitismus, zu beginnen. Aufgrund einer Vereinbarung zwischen Bundesregierung und dem Zentralrat der Juden, der politischen Vertretung der Juden, auf Antrag in die BRD einzureisen.
Dank der Zuwanderung ist die Anzahl der Juden in Dortmund auf aktuell ca. 3000 Mitglieder angestiegen. Die Bewältigung der Integration der Neumitglieder in die jüdische und deutsche Gesellschaft bedeutete zugleich Bereicherung wie auch Herausforderung für die Gemeinde. Neue Aufgaben wurden gestellt: Integration in die deutsche und jüdische Gesellschaft, soziale Betreuung und Unterstützung der oftmals älteren Neumitglieder und Heranführung an religiöse Wurzeln und Traditionen. Sprachkurse und Lerngruppen wurden schnell gebildet, das kulturelle Angebot erweitert und die Räumlichkeiten ausgebaut.
Ende der 90er konnte die Synagoge, die ca. 200 Betenden Platz bietet, den großen Ansturm nicht mehr bewältigen. Ein Neubau wurde nötig. So entstand der große Mehrzwecksaal hinter dem Verwaltungsgebäude. Das 500 Menschen fassende Gebäude wird zu den hohen jüdischen Feiertagen zur Synagoge umfunktioniert, während es im gesamten Jahr als Veranstaltungsort für Konzerte, Feierlichkeiten oder als Speisesaal genützt wird.
Innerhalb der jüdischen Kultusgemeinde haben sich zahlreiche Mitglieder in Interessensgruppen zusammengeschlossen. So schaffen der Frauenverein der Damen, die Sportinteressierten im Makkabi Sportverein e.V., eine Reihe wohltätiger Vereine, die studentische Gruppe und das aktive Jugendzentrum "Emuna" sowie der Seniorentreff ein buntes Gemeindeleben. Im pädagogischen Bereich haben sich die Religionsschule, mit der Möglichkeit jüdische Religionslehre als Abiturprüfungsfach wählen zu können, und die jüdischen Tages- sowie Sonntagsschule “Ahavat Israel” für Kinder etabliert. Vor mehr als zehn Jahren wurde die jüdische Kindertagesstätte "Brücken-Kindergarten" feierlich eröffnet. Der hellblaue Neubau steht an der Ecke Arndtstraße, Hellweg. Für die religiöse Betreuung ist Herr Rabbiner Avigdor Moshe Nosikov zuständig. Die Mitglieder wenden sich mit zahlreichen Lebensfragen an ihn und lassen sich in jüdische Tradition und Philosophie einweisen.